Künstler:in
Gerd Grove
(* 1904 Lübeck, † 1992 Meersburg / Bodensee)
Titel
Die drei Nornen
Datierung
1960
Technik
Keramikmosaik
Beschreibung

Drei Schicksalsgöttinnen zierten die Giebelwand der ehemaligen Dorothea-Schlözer-Schule in der Fischstraße. Die der altnordischen Mythologie entnommenen Nornen sind Schicksalsschwestern und als Schreiberinnen, Geburtshelferinnen, Schicksalsgöttinnen, Spinner, Weber oder Knüpfer des Schicksals bekannt. Der Überlieferung nach bestimmen sie die Lebenszeit der Menschen. Urd (die Gewordene), Verdandi (die Werdende) und Skuld (die werden Sollende, auch die Schuld) personifizieren die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gerd Grove zeigt sie bei ihren typischen Aufgaben und mit den dazugehörigen Attributen. Urd sitzt an der Spindel, um den Faden der Vergangenheit zu spinnen. Verdandi verwebt ihn mit einem kleinen Webstuhl zur Stoffbahn. Skuld, die den Faden zum Werdenden in der Hand hält und somit Einfluss auf die Zukunft hat, zertrennt in diesem Relief den Lebensfaden der Menschen, indem sie das fertige Stoffstück mit der Schere auseinanderschneidet. Die drei Schicksalsgöttinnen werden in der Mythologie als uralte Frau, Frau in den mittleren Lebensjahren und als junges Mädchen beschrieben. Grove unterscheidet sie nicht, sondern ordnet die drei in logischer Abfolge übereinander an: Urd, die Älteste, sitzt ganz oben, unter ihr die die Gegenwart und Zukunft repräsentierenden Nornen Verdandi und Skuld. Sie unterscheiden sich nur aufgrund ihrer Attribute; die Gesichter, Gewänder und Kopftücher sind nahezu identisch. In sich gekehrt und weltabgewandt widmen sie sich gemeinsam ihrer Aufgabe.

 

Im Gegensatz zu den vielen Kunstwerken der Nachkriegsjahre, die eine positive und freudige Aufbruchsstimmung widerspiegeln, strahlt das Relief eine würdevolle Strenge und Ernsthaftigkeit aus. Grove greift ein anspruchsvolles Thema aus der bis Kriegsende heroisierten nordischen Sagenwelt auf und schafft mit den von den Nornen ausgeführten hauswirtschaftlichen Tätigkeiten wie Spinnen, Weben und Stoff verarbeiten, einen gelungenen Bezug zum Bauwerk, der Berufsschule für Ernährung, Gesundheit und Sozialwesen. Im Stil der 1950er und 1960er Jahre wurde das Relief aus kleinteiligen glasierten Tonplatten flächenbündig in die Ziegelfassade integriert. Durch die Umrandung und Gliederung der einzelnen Segmente mittels erhabener Mörtelfugen schuf Grove zudem ein interessantes Schattenspiel und verlieh dem Kunstwerk eine gewisse Plastizität.

 

Vierzig Jahre lang schmückte das Mosaik Die drei Nornen die schlichte Backsteinwand der Dorothea-Schlözer-Schule in der Fischstrasse. Die Berufsschule wurde 2010 im Zuge der „Stadtreparatur“ des Gründungsviertels abgerissen. Da das Relief im Ganzen nicht geborgen werden konnte und man keinen geeigneten Ersatzstandort fand, konnte es nicht erhalten werden. Gerd Grove schuf um 1960 eine der größten Wandkeramiken an öffentlichen Gebäuden im Lübecker Raum. In unmittelbarer Blickbeziehung zur Marienkirche wurde das Relief einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

Biografie

Der Keramiker und Bildhauer Gerd Grove wurde 1904 in Lübeck geboren. Nach Beendigung der Oberschule in Lübeck studierte er ab Mitte der 1920er Jahre an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. Ab 1930 unterhielt er gemeinsam mit seiner Frau Lu ein Bildhauer- und Keramikatelier in seiner Heimatstadt. In den 1930er und 1940er Jahren führte er verschiedene private und staatliche Aufträge aus, ab 1945 entstanden keramische Wandbilder, Brunnen sowie Plastiken für Schulen und andere öffentliche Gebäude in und um Lübeck. Der Künstler verbrachte seinen Lebensabend in Meersburg am Bodensee, wo er 1992 verstarb.

Stifter
„Kunst am Bau“ durch das Hochbauamt Lübeck
Kategorie
nicht mehr erhalten
Standort
Nicht mehr erhalten, Fischstraße 11-15, ehem. Hauswirtschaftliche Berufsschule (spätere Dorothea-Schlözer-Schule, 2010 abgerissen)
Literatur
Kurt Mai, Bauen in Lübeck. Städtische Hochbauten und Kunst am Bau 1949-1969, Lübeck 1999.

Bilder