(* 1891 Hagen, † 1976 Lübeck)
Für ein Treppenhaus der Oberschule zum Dom gestaltete Curt Stoermer ein Uhrenzifferblatt, welches er mit Motiven des antiken und mittelalterlichen Schulwesens schmückte. Dabei bezog er sich auch auf die jahrhundertealte Geschichte der an diesem Standort vom 12. bis zum 19. Jahrhundert ansässigen Domschule. Die sieben in schwarzer Sgraffito-Technik direkt auf der Wand ausgeführten Darstellungen umgeben die Ziffern der Uhr in lockerer Abfolge. Das größte Motiv, das die gesamte linke Seite einnimmt, zeigt einen Mann, der einen vor ihm stehenden Knaben im Lesen unterweist. Die Nacktheit und enge Verbundenheit der beiden irritiert aus heutiger Sicht, ist aber wohl nicht als erotische, sondern als idealisierte Nacktheit zu sehen, welche die Kunst der Antike prägte – der nackte männliche Körper, in idealisierter Weise ausgeprägt athletisch dargestellt, stand für Jugend, Schönheit und Kraft. Das korinthische Säulenkapitell, der Athlet und das Stillleben aus Maske, Musikinstrumenten und Olivenzweig verweisen ebenfalls auf die Kultur der antiken Welt. Die Schulbildung, die die Knaben des antiken Griechenlands erhielten, bestand in ihrer Grundlage aus Lesen, Schreiben, Rechnen, Musik und Gymnastik, eine weiterführende Bildung umfasste zudem Philosophie, Rhetorik, Geschichte und Naturwissenschaften. Orgelpfeifen und ein mit Kreuzblume und Fensterrosette geschmückter gotischer Giebel weisen ebenso wie der lesende Mönch auf das Bildungswesen der mittelalterlichen Welt hin, welches untrennbar mit Kirche und Klöstern verbunden war. In den Klöstern wurde das aus der Antike überkommene Bildungsgut gepflegt und weitergetragen. Kloster- und Domschulen waren die einzigen Bildungsanstalten, sie standen nicht nur dem Klerus sondern auch Laien der wohlhabenden Oberschicht offen.
Angeregt durch die Gründung des Museum Folkwang in seiner Heimatstadt Hagen und seine Bekanntschaft mit Christian Rohlfs begann Curt Stoermer ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, welches er ab 1909 in Paris an der Académie Colarossi und der Académie Julian fortsetzte. Hier lernte er Heinrich Vogeler kennen und begleitetet ihn 1912 nach Worpswede, wo er sich zu einem Vertreter des Worpsweder Expressionismus entwickelte. Seine erste Einzelausstellung erhielt Stoermer im Oktober 1912 im Folkwang-Museum, auch einige seiner Holzschnitte konnte er in dieser Zeit veröffentlichen, u.a. in der berühmten Berliner Zeitschrift „Der Sturm“. Während seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg machte er die Bekanntschaft des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff, mit dem er eng befreundet blieb. Ab 1921 lebte Stoermer in Lübeck und wandte sich der Glasmalerei zu. Ein Stipendium der Villa Massimo ermöglichte ihm 1931 eine ausgedehnte Studienreise nach Dalmatien und Italien. 1932 gehörte Stoermer zu den Mitbegründern der Künstlergruppe „Werkgruppe Lübeck“. Sein Atelier wurde beim Bombenangriff 1942 zerstört. Nach dem Ende des Krieges erhielt der Künstler zahlreiche Aufträge für Ausschmückungen an öffentlichen Bauten, die noch heute in der Hansestadt zu finden sind.