(* 1878 Klein-Grabow bei Schwerin, † 1970 München)
Eine kleine Wandnische im neuerrichteten Grundschulbereich der Albert-Schweitzer-Schule beherbergt die Büste ihres Namenspatrons, des Philosophen, Theologen, Mediziners, Organisten, Musikwissenschaftlers und Schriftstellers Albert Schweitzer (1875-1965).
[nbsp]
Schweitzer gilt als eine der bedeutendsten und vielseitigsten intellektuellen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, er wirkte mit seinem lebenslangen Bekenntnis zu einer humanistischen Ethik, seiner pazifistischen Einstellung und seinem karitativen Engagement vorbildhaft. 1952 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
[nbsp]
Fritz Behn schuf zwischen 1951 und Anfang der 1960er Jahre mehrere Porträts von Schweitzer, zuletzt ein überlebensgroßes steinernes Bildnis, das 1969 unweit von Schweitzers elsässischem Heimatsort Gunsbach aufgestellt wurde. Die Lübecker Porträtbüste zeigt ihn, gut erkennbar durch seine markante Physiognomie und Haartracht, ernst und hochkonzentriert in die Ferne blickend. Obgleich Behn das Abbild in grob belassenen, kraftvollen Zügen modellierte, gelang ihm eine außerordentlich lebensnahe, detailreiche Darstellung.
[nbsp]
Die Gemeinsamkeit zwischen Behn und Schweitzer bestand in ihrer jeweiligen Affinität zu Afrika, das sie als ursprüngliches, aber rückständiges Gegenbild zum modernen Europa ansahen. Behn fand das Anschauungsmaterial für seine exotischen Tierplastiken bei ausgedehnten Reisen in das damalige Deutsch-Ostafrika, er war ein leidenschaftlicher Verfechter des Kolonialismus und der Rassentrennung. Albert Schweitzer wurde vor allem als „Urwalddoktor“ bekannt, nachdem er 1913 im westafrikanischen Lambarene ein Krankenhaus gegründet hatte, das bis heute existiert. Als gütig-autoritärer Wohltäter, der die afrikanischen Einheimischen als hilfsbedürftig und unselbstständig ansah, ist sein humanitäres Engagement unbestritten, aber im kolonialistischen Denken verwurzelt.
Fritz Behn wurde im Jahr 1878 im mecklenburgischen Klein Grabow bei Krakow am See geboren und starb 1970 im Alter von 91 Jahren in München. Er war ein Enkel des ehemaligen Lübecker Bürgermeisters Heinrich Theodor Behn und verbrachte einen Teil seiner Jugend in dem nach der Familie benannten Haus in der Lübecker Königstraße, dem heutigen Museum Behnhaus Drägerhaus. Nach dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste München brach Behn im Winter 1907/08 erstmals zu einer Safari nach Afrika auf. Die Faszination für den Kontinent und seine Tierwelt blieb ein Leben lang ungebrochen und prägte sein weiteres künstlerisches Schaffen. Als Tierbildhauer erlangte er früh internationale Berühmtheit. Neben Künstler*innen wie August Gaul, Renée Sintenis oder Rembrandt Bugatti trug er zum Durchbruch der autonomen Tierplastik bei. Daneben schuf er zahlreiche Bildnisbüsten, Denkmäler, Brunnen sowie Grabmale. Nach dem Ersten Weltkrieg vertrat Behn antidemokratische und national-völkische Positionen. 1939 bis 1945 hatte er eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Wien inne. Er stand auf der „Gottbegnadetenliste“ der wichtigsten bildenden Künstler der NS-Zeit.[nbsp] Fritz Behn war eine schillernde Künstlerpersönlichkeit, die sich dem Bannkreis des Imperialismus ebenso wenig zu entziehen vermochte wie dem Faschismus. Die Kunst dieses Kolonialisten, Monarchisten und Republikgegners sieht sich Vorbehalten ausgesetzt, welche nicht zuletzt aus seinen Verstrickungen in den Nationalsozialismus resultieren. Der Ruf eines „Nazi-Bildhauers“ dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, warum ihn die Kunstgeschichte lange ignoriert hat. Erst in jüngster Zeit hat eine Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Werk eingesetzt.