Künstler:in
Karlheinz Goedtke
(* 1915 Kattowitz / Oberschlesien, † 1995 Mölln)
Titel
Die Eisengießer
Datierung
1995
Technik
Bronze
Beschreibung

Der Lübecker Stadtteil Kücknitz war während des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Industriestandort der Region. 1905 wurde die Hochofenwerk Lübeck AG in Herrenwyk gegründet; nach dem Bau von zwei Hochöfen und mehreren Koksöfen lief zwei Jahre später die Produktion von Roheisen und Koks an. 1906/07 wurde eine Werkssiedlung für die Arbeiter gegründet, ab 1910 begann man mit der Errichtung der Kolonie Kücknitz. Ein eigenes Kaufhaus, eine Schlachterei und eine Bäckerei (deren Gebäude heute das Industriemuseum Herrenwyk beherbergt) versorgten die Arbeiter. Die Produktivität des Werks in den 1910er und 20er Jahren erfuhr zunächst mit der Weltwirtschaftskrise 1930 einen Einschnitt. Unter dem Nationalsozialismus wuchs die Größe des Unternehmens durch Subventionen wieder beträchtlich an, ab 1936 wurde hauptsächlich für die Rüstungsindustrie produziert. Die Mehrheit der Anteile hielt ab 1937 der Großaktionär Friedrich Flick, der das Werk in seinen Konzern übernahm. Unter den rund 1800 Arbeitern waren von 1938 an auch zahlreiche Zwangsarbeiter. Nach Kriegsende wurde unter der britischen Militärregierung die Produktion von Gas, Roheisen und Zement fortgeführt. Das erweiterte und modernisierte Werk – 1954 in Metallhüttenwerke Lübeck AG umbenannt – wurde von Flick 1958 in eine GmbH umgewandelt. Eine veränderte Wirtschaftslage, Umstrukturierungen und die Aufkündigung des Gasliefervertrags durch die Stadt Lübeck führten zum Niedergang des Unternehmens, das 1975 an die US-Steel Corporation verkauft wurde. 1981 musste das Werk Insolvenz anmelden. Die Wohnkolonie ging an den Lübecker gemeinnützigen Bauverein über, die Werksanlagen wurden 1992 abgerissen, der über die Jahrzehnte entstandene Umweltschaden von der Stadt und dem Land Schleswig-Holstein aufwändig saniert. Die inzwischen vollständig verschwundene Schwerindustrie wird heute noch durch Straßennamen wie Eisenstraße, Kokerstraße oder Alter Kühlturm und das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk vergegenwärtigt.

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Karlheinz Goedtke schuf als eines seiner letzten Werke 1995 Die Eisengießer, die an die Vergangenheit des Ortes erinnern. Auf einer steinernen Sockelplatte sind etwas überlebensgroß zwei Eisenhüttenarbeiter in ihrer schweren Schutzmontur dargestellt. Die Visiere ihrer Schutzhelme hochgeklappt, die langstieligen Gusskellen in den Händen, präsentieren sie sich in aufrechter Haltung und mit stolzem Gesichtsausdruck. Zwischen ihnen verläuft in der Sockelplatte die Gussrinne des Metallanstichs. Ein Stück von den Arbeitern abgerückt sind zwei Kinder wiedergegeben, die jeweils nur mit einer kurzen Hose bekleidet neben der Gussrinne sitzen und spielen. Mit dieser ungewöhnlichen Figurenzusammenstellung wollte Goedtke möglicherweise auf das enge Nebeneinander von harter Arbeit und Privatleben in der Kolonie Kücknitz hinweisen.

Biografie

Der aus Kattowitz in Oberschlesien stammende Bildhauer Karlheinz Goedtke studierte von 1931 bis 1936 bei Kurt Schwerdtfeger an der Werkschule für gestaltende Arbeit in Stettin und von 1938 bis 1940 an der Hochschule für Bildende Künste Berlin. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst in Ratzeburg als Holzbildhauer. Von 1951 bis zu seinem Tod lebte und arbeitete er in Mölln. Dort steht auch die Figur des Till Eulenspiegel, mit der er bekannt wurde. In dieser Zeit entstanden über 200 Großplastiken für den öffentlichen Raum. Die meisten davon finden sich in Schleswig-Holstein, davon allein dreizehn in Lübeck.

Stifter
„Kunst am Bau“ durch den Lübecker Bauverein, Auftragsarbeit
Kategorie
Kunst am Bau
Standort
Kupferstraße, Ecke Silberstraße
Literatur
M. Urban, Der Bildhauer Karlheinz Goedtke, in: Der Wagen. Lübecker Beiträge zur Kunst und Gesellschaft, 1957, S. 99ff..

Künstler in Lübeck 1946-1986: Dokumentation der Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer (Veröffentlichung des Senats der Hansestadt Lübeck, Amt für Kultur, Reihe A), Lübeck 1986.

Gerhard Gerkens, Karlheinz Goedtke. Werkverzeichnis, Neumünster 1995.

Bilder