Künstler:in
Jo Kley
(* 1964 Ulm, lebt und arbeitet in Kiel)
Titel
Entfesselt / Märtyrerweg
Datierung
2013
Technik
Granit
Beschreibung

Im Jahr 2013 wurde in Lübeck das 14-tägige Bildhauersymposium „Kreuzwege“ ins Leben gerufen, um für den bereits existierenden Kreuzweg und den neu entstandenen Märtyrerweg sichtbare Stationen zu schaffen. Der Kreuzweg, den der Lübecker Kaufmann Hinrich Konstin Mitte des 15. Jahrhunderts errichten ließ, ist einer der ältesten in Deutschland. Im Laufe der Zeit geriet er jedoch in Vergessenheit und von den einst sieben Stationen blieben nur die erste und die letzte erhalten. Anfang der 1990er Jahre beschloss eine kleine Gruppe Gläubiger, den früheren Kreuzweg am Karfreitag noch einmal zu begehen. Damit begann eine neue Kreuzwegtradition und es entstand die Idee, die zerstörten Stationen wieder zu vervollständigen. Da seit der Wiederentdeckung nur an fünf der einst sieben Stationen Andachten gehalten wurden, sollten auch nur fünf Skulpturen den Weg markieren.

 

Die Bildhauer Winni Schaak, Frede Troelsen, Karin van Ommeren und Jo Kley schufen zeitgenössische Stelen sowohl für den Kreuzweg als auch für den neu entstandenen Märtyrerweg, der an die vier Lübecker Geistlichen erinnert, die im Nationalsozialismus Widerstand leisteten und daraufhin hingerichtet wurden. Der Kreuzweg beginnt an St. Jakobi, führt zunächst die Breite Straße entlang zum Kanzleigebäude und wieder zurück durch die Große Burgstraße, das Burgtor und über das Burgfeld zur letzten Station auf dem sogenannten Jerusalems-Berg. Am Burgtor kreuzt er den Märtyrerweg, der sich über folgende vier Stationen erstreckt: Lutherkirche, Herz-Jesu-Kirche, Burgkloster und die Justizvollzugsanstalt Lauerhof. Die miteinander korrespondierenden Stelen aus Stahl beziehungsweise Granit sollen den Betrachter auf unterschiedliche Weise ansprechen. Sie sollen die christlichen und grundlegenden ethischen Werte symbolisieren wie Toleranz, Nächstenliebe oder Zivilcourage. Sie stehen aber auch als Mahnung gegen den Totalitarismus. Zudem lassen die abstrakten Stelen genug Raum für persönliche Interpretationen. Sie sind eigenständige Kunstwerke, die mit allen Sinnen erfasst werden wollen.

 

Vor der Luther-Kirche, in der ein Gedenkraum an die vier Lübecker Märtyrer erinnert, markiert die Stele Entfesselt eine Station des Märtyrerweges. Die zeitgenössische Skulptur appelliert an die Mitmenschlichkeit und sie gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus. Die Skulptur ist ähnlich gestaltet wie die Stele Verbunden, die siebte Station an der Herz-Jesu-Kirche. Der Stein ist im unteren Bereich glatt, etwa ab der Hälfte heben sich stilisierte Bänder vom rau behauenem Stein ab. Es entsteht Dynamik, indem die locker miteinander verschlungenen Knoten den Eindruck erwecken, als könnten sie leicht gelöst werden. Die Skulptur ist auf das Wesentliche reduziert, doch trotz ihrer Einfachheit schuf Kley ein sehr ästhetisches Kunstwerk. Die Bänder aus Stein sind präzise herausgearbeitet und äußerst gekonnt in ihrer Linienführung miteinander verbunden. Im Werk Kleys stehen Bänder aus Stein als Metaphern für den menschlichen Lebensweg, hier erinnern sie an den der vier Lübecker Märtyrer.

Biografie

Jo Kley wurde 1964 in Ulm geboren und absolvierte von 1981 bis 1984 eine Ausbildung zum Steinmetz und Steinbilderhauer. 1991 begann er ein Studium der Bildhauerei an der heutigen Muthesius Kunsthochschule in Kiel bei Jan Koblasa. Seit 1995 ist Kley als freischaffender Künstler tätig. 1998 entwickelte er die „KleyCity“, ein global und langfristig angelegtes Kunstkonzept, das im Sinne der Völkerverständigung das Ziel verfolgt, in möglichst vielen Staaten der Erde eine seiner turmförmigen Skulpturen zu errichten; bisher konnte er dies in 25 Ländern realisieren. Von 2000 bis 2019 unterhielt der Künstler seine eigene Kunstagentur „ars magnifica“, 2012 promovierte Kley an der Universität von Pécs in Ungarn. Unzählige Bildhauer-Symposien, Biennalen und Gruppenausstellungen führen ihn seit 2000 um die ganze Welt, die von ihm bespielten Ausstellungsorte finden sich u.a. in China, Saudi-Arabien, der Türkei, Chile, Brasilien, Norwegen, Mexiko und Japan. Seit 2017 wurden Arbeiten von Kley auch alljährlich auf der Kunstmesse art karlsruhe präsentiert. Der Künstler arbeitet hauptsächlich mit Stein, u.a. Marmor, Granit und Kalkstein, teils blank poliert, teils roh belassen. Vereinzelt entstehen auch Plastiken aus Edelstahl. Thematisch konzentriert er sich auf architektonische Turmformen sowie archaische, abstrakte Motive wie Spiralen, Knoten und Kristalle. Gelegentlich finden Tierdarstellungen Eingang in sein Werk. Viele seiner Arbeiten befinden sich im öffentlichen Raum. Jo Kley lebt und arbeitet in Kiel.

Stifter
Entstanden im Rahmen des internationalen Bildhauersymposiums „Kreuzwege“, Lübeck 2013
Kategorie
Denkmal/Mahnmal
Standort
Moislinger Allee 96, Lutherkirche

Bilder