(* 1889 Lübeck, † 1970 Lübeck)
Die Erzählung von Europa und ihrer Entführung durch den Stier ist Teil der griechischen Mythologie. Europa war die schöne Tochter des phönizischen Königs Agenor. Als sie mit ihren Freundinnen am Strand des Mittelmeeres spielte, sah sie der Göttervater Zeus und verliebte sich in sie. Um unerkannt zu bleiben und sie von ihren Gefährtinnen trennen zu können, verwandelte er sich in einen prachtvollen Stier und näherte sich in dieser Gestalt den Mädchen. Da der Stier ein sanftes, zutrauliches Tier zu sein schien, überwand Europa ihre anfängliche Furcht. Sie streichelte ihn und ließ sich schließlich auf seinen Rücken heben. Diese Situation nutzte Zeus, um mit ihr auf dem Rücken ins Meer zu springen und sie vor den Augen ihrer Freundinnen fortzutragen. Er schwamm bis nach Kreta, wo er sich Europa in seiner wahren Gestalt zu erkennen gab und ihr seine Liebe gestand. Er zeugte mit ihr drei Söhne, Minos, Rhadamanthys und Sarpedon, die Könige von Kreta und Lykien wurden. Der Kontinent, zu dem Kreta gehört, trug fortan ihr zu Ehren den Namen Europa.
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Wie auch in seiner Metallgrafik Sonne setzte Albert Aereboe das Thema in einer reduzierten, kubistischen Bildsprache um. Für seine Darstellung wählte er den Moment, in dem der Stier mit der seitwärts auf seinem Rücken sitzenden Europa ins Wasser springt. Den mächtigen Hals reckt der Stier nach oben, der Schädel und die Hörner sind flächig betont. Die hintere Hälfte des Tierkörpers ist im Sprung noch vollständig außerhalb des Wassers zu sehen. Die Wölbung des Bauches geht nach vorne hin in die Wellenlinie der Meeresoberfläche über, unterhalb derer zwei große Fische zu erkennen sind.
Der Lübecker Künstler Albert Aereboe absolvierte zunächst eine Ausbildung als Kirchendekorationsmaler, bevor er die Kunstgewerbeschulen in Berlin und Lübeck besuchte. 1912 wechselte Aereboe an die Akademie der Bildenden Künste München und studierte dort bis 1915 bei Hugo von Habermann. Nach zweijährigem Kriegsdienst war er ab 1918 als freischaffender Künstler in Lübeck tätig. 1919 erhielt er einen Ruf an die Staatliche Kunstgewerbeschule in Kassel, wo er insgesamt bis 1926 lehrte. 1923 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Mitte der 1920er Jahre verlegte der Künstler seinen Wohnsitz nach Sylt. 1939 zog es ihn zunächst nach Berlin, nach der kriegsbedingten Zerstörung seines dortigen Ateliers übersiedelte er jedoch wenige Jahre später wieder nach Sylt. 1959 kehrte Aereboe in seine Heimatstadt Lübeck zurück. Künstlerisch ging er von expressionistischen Anfängen aus und kam in den 1920er Jahren zu einem miniaturhaften, neusachlichen Stil. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte er sich der Abstraktion zu, behielt jedoch kubistisch-figurative Elemente bei.