Künstler:in
Julien de Casabianca
(* 1970 Korsika, lebt und arbeitet in Paris)
Titel
Mädchen, Outing aus dem Gemälde „Kind im Spielzimmer“ von Eduard Linde-Walther
Datierung
2016
Technik
Druck auf Papier
Beschreibung

Seit 2014 arbeitet Julien de Casabianca an seinen „Outings“, Einzelmotiven aus Gemälden, die er aus ihrem Museumsumfeld „befreit“, indem er sie abfotografiert und als monumentale Reproduktion im öffentlichen Raum plakatiert. Hier erhalten die Motive, die in ihrem originalen Kontext meist wenig Beachtung finden, eine völlig neue Präsenz – nicht nur aufgrund der extremen Vergrößerung und der Alleinstellung, sondern auch durch den Kontrast, der sich zu dem alltäglichen städtischen Umfeld ergibt. Zudem erfüllen die „Outings“ einen demokratischen Zweck, indem sie museale Kunst für ein breites Publikum öffnen. Die Darstellungen erreichen im öffentlichen Raum auch Menschen, die nicht zum üblichen Museumspublikum zählen, und können hier ganz unmittelbar die Schönheit klassischer Malerei vermitteln.

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Die Lübecker Künstlerinnen Ulrike Heil und Ingeborg Pieper erfuhren bereits 2015 von de Casabiancas „Outings“. Fasziniert von dem künstlerischen Konzept folgten sie seinem Beispiel und plakatierten in einer heimlichen nächtlichen Aktion in der Innenstadt acht Motive von Gemälden aus dem Bestand des Lübecker Behnhauses. Ihre relativ kleinen „Outings“ riefen in Lübeck lebhafte positive Reaktionen hervor.

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Es gelang den beiden Künstlerinnen und dem Leiter des Behnhauses Alexander Bastek, den Künstler persönlich nach Lübeck zu holen, um dort im Mai 2016 eines der acht Motive in ein monumentales Wandbild umzusetzen. Als Standort wurde der Hochbunker in der Schildstraße gegenüber der Aegidienkirche ausgewählt. Julien de Casabianca entschied sich für das Motiv des Mädchens aus dem Gemälde Kind im Spielzimmer von Heinrich Eduard Linde-Walther (1868-1939). Von einem Hubwagen aus plakatierte er die Bunkerwand Abschnitt für Abschnitt mit dem in einzelne Bahnen zerlegten Motiv an der Fassade. Das Mädchen, welches im Lübecker Volksmund inzwischen als „Else“ bekannt und beliebt ist, hat eine Höhe von 14 Metern und nimmt damit den Großteil der Fassadenfläche des Hochbunkers ein. Dauerhaft wetterfest fixiert wurde das „Outing“ durch den Lübecker Künstler Dirk Helbig im Herbst 2016.

Biografie

Der aus Korsika stammende Julien de Casabianca ist Street Art-Künstler und initiiert als Mitglied von Kunstkollektiven künstlerische Projekte, er ist Fotograf, Filmemacher, Jazzmusiker und war in den 1990er Jahren unter dem Namen Julien Caumer als investigativer Journalist tätig. Der gemeinsame Bezugspunkt seiner Werke ist immer die Straße. Von 1999 bis 2002 war er Mitglied des Künstlerkollektivs „59 Rivoli“, 2002 begründete er die Künstlervereinigung „Laboratoire de la Création“. Von 2003 bis 2009 betrieb er in Paris den Jazzclub La Fontaine. Nach seinem Kurzfilm „Night after the rain“ (2009), der in fiktiven Straßenszenerien spielt, erntete de Casabianca 2010 mit „Passing by“, seinem ersten Film in Spielfilmlänge, eine außerordentliche Resonanz. Der Künstler filmte für dieses Projekt über mehrere Jahre hinweg Passanten in 44 Städten in 22 Ländern und wurde für das berührende filmische Ergebnis mit einer Mitgliedschaft in der renommierten französischen Vereinigung von Filmschaffenden „Société civile des auteurs réalisateurs producteurs“ (L’ARP) geehrt. Szenenausschnitte des Films wurden auch als Videoinstallation auf 40 Bildschirmen an der Fassade des Rathauses im 4. Arrondissement in Paris umgesetzt.

Internationale Bekanntheit erlangte der Künstler 2014 mit den sogenannten Outings, einer losen Werkserie für den öffentlichen Raum. De Casabianca wählte dafür einzelne Personenmotive, die er von Gemälden aus Museumssammlungen abfotografierte, überdimensioniert vergrößert auf Plakatpapier übertragen ließ und auf Gebäudewände plakatierte. Seine Outings finden sich mittlerweile u.a. in Aberdeen, Memphis (USA), Paris, Bordeaux, Sofia, Zagreb, Torreon (Mexiko) und im nepalesischen Katmandu. De Casabianca versteht die Outings als einen integrativen demokratischen Prozess, indem er insbesondere junge Menschen auffordert, auf fotografischem Wege malerische Motive aus Museen zu „befreien“. So fand beispielsweise parallel zu seiner Fotoausstellung im Genfer Musée d’art et d’histoire im Herbst 2015 ein Projekt statt, in dem der Künstler Schüler anleitete, Outings aus dem Museum zu erstellen und in ihrem Wohnviertel zu plakatieren.

Neben seiner künstlerischen Arbeit im öffentlichen Raum betreibt de Casabianca in Paris die private Kunstschule „Starter“, die Vorbereitungskurse für das Kunststudium anbietet, sowie den 2017 eröffneten Jazzclub „La Gare“.

Stifter
HANSE-Unternehmerinnen
Kategorie
Wandgestaltung
Standort
Schildstraße 20, ehem. Hochbunker, Fassade

Bilder