(* 1964 Hannover, lebt und arbeitet in Lübeck)
Anlässlich der Planungen von neuen Wohngebäuden in Moisling durch die Grundstücksgesellschaft Trave entstand die Idee, den Bewohnern des Stadtteils mit seiner vielfältigen Gesellschaft ein Denkmal zu setzen. Anfang 2014 wurde die Lübecker Bildhauerin Bettina Thierig mit der Ausgestaltung des Kunstwerks beauftragt, für deren Aufstellung von Beginn an ein erhöhter, unkonventioneller Standort geplant war. Zunächst fertigte Thierig kleine Wachsmodelle an, mit denen sie die geplante Figurengruppe in ihren Körperhaltungen und Stellungen zueinander sowie die Bemalung individuell ausgestalten konnte. Nach den Wachsmodellen arbeitete die Künstlerin anschließend Modelle in Stein in einem etwas größeren Maßstab. Schließlich wurden die endgültigen Figuren im geplanten Maß in einem Steinbruch im französischen Lothringen mittels computergestützter Sägen und Meißel ausgeführt. Das dabei verwendete Material Savonnière ist ein heller, reiner Muschelkalk, der bereits seit Jahrhunderten für Bildhauerarbeiten verwendet wird. In Lübeck bearbeitete Thierig die Skulpturen von Hand weiter bis zur Fertigstellung.
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Ziel der Künstlerin war es, zwischen den separat stehenden Figuren ein Zusammengehörigkeitsgefühl auszudrücken und damit die Beziehungen der Menschen im Stadtteil Moisling widerzuspiegeln. Und tatsächlich bilden die Einzelfiguren – zwei Frauen, ein Mann und ein Kind – trotz der leichten räumlichen Entfernung zueinander unübersehbar eine Einheit. Dafür sorgen kleine Verweise in den individuellen Körperhaltungen: der wehende Rock der seitlich stehenden Frau, der hochgereckte Arm des Kindes und die sich an der Hüfte zur Seite neigende Frau. Sie stellen optische Beziehungen der Figuren zueinander her. Die von Thierig gewählten Farbakzente in kräftigen, klaren Tönen und geometrischen Formen betonen zwar einzelne Details von Körpern und Kleidung, dienen aber nicht der Darstellung, sondern verlaufen weitgehend unabhängig von den plastischen Formen.
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In einer aufwendigen Aktion wurden die schweren Steinskulpturen schließlich am Rande des Daches der Heinzelmännchengasse 1-3 aufgestellt und am 19. Juni 2015 feierlich eingeweiht. Von diesem herausgehobenen Standort aus sind sie seither weithin sichtbar und symbolisieren bunt und fröhlich die Vielfalt des Stadtteils.
Die aus Hannover gebürtige Bettina Thierig absolvierte zunächst an der Universität Dortmund ein Kunststudium, das sie 1992 mit dem Staatsexamen abschloss. Im Anschluss setzte sie ihre Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie fort. Durch den Förderpreis des Kunst- und Kulturfonds der Stadt Witten erfuhr sie eine erste öffentliche Anerkennung. Nach Abschluss ihres Studiums 1996 führte ein Arbeitsaufenthalt sie zunächst nach New York, 1998/99 war Thierig als Dozentin an ihrer ehemaligen Hochschule in Dortmund tätig. Seit 2000 ist die Künstlerin in Lübeck ansässig und unterrichtet seit 2012 an der hiesigen Fachhochschule. Thierig ist die Initiatorin des Lübecker Projekts KunstBetriebe, ein erfolgreiches Konzept, das seit 2012 bereits dreimal umgesetzt wurde. In Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) und mehreren Sponsoren bietet es Bildhauern die Möglichkeit, mit den Werkstoffen von lokalen Betrieben skulpturale Arbeiten zu schaffen. Bettina Thierig arbeitet ihre figürlichen Plastiken in Stein, Bronze oder Holz. Sie sind gekennzeichnet durch eine voluminöse, in sich geschlossene Körperlichkeit und weisen teils ausgeprägte Oberflächenstrukturen und farbliche Akzente auf. Zusätzlich zu ihrer bildhauerischen Tätigkeit hat sich Thierig als Lyrikerin einen Namen gemacht. Ihre Gedichte wurden in drei Gedichtbänden und mehreren Lyrik-Kurzfilmen veröffentlicht.