(* 1903 Lübeck, † 1965 Lübeck)
Für die „Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ des Vorwerker Friedhofs schuf Walter Jahn 1951 einen Zyklus von mehreren großformatigen Sgraffiti. Die Gedenkstätte besteht – ähnlich wie ein klösterlicher Kreuzgang – aus einem ummauerten quadratischen Hof, die Wände mit den Darstellungen sind mit einem schmalen umlaufenden Dach überwölbt. Im Inneren des Hofes befindet sich eine schlichte Grünanlage, hier liegt auch das Grab des unbekannten Opfers, versehen mit einer Inschrift. Auf dem Vorwerker Friedhof sind die sterblichen Überreste von fast 3.000 Opfern des Konzentrationslagers Neuengamme bestattet, was der Gedenkstätte eine besondere Relevanz gibt.
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Auf eindrückliche Weise verbildlichte Walter Jahn in seinem Zyklus verschiedene Szenarien von Krieg, Gefangenschaft, Flucht und Vertreibung, aber auch Rückkehr in die Heimat. Für die Wandbilder wählte er eine reduzierte illustrative Bildsprache: vor dem einheitlich grau verputzten Hintergrund sind Menschen und Tiere in schmalen, sanft schwingenden Zeichenlinien wiedergegeben, der Fokus liegt auf dem äußeren Umriss, die Binnenzeichnung ist nur sehr sparsam und gezielt eingesetzt. Das Hauptaugenmerk des Künstlers gilt dem individuellen Leid der Opfer. Die halbnackten, ausgemergelten Gefangenen, die erschöpften Flüchtenden, die Trauernden, die Kriegsinvaliden und die geschundenen Tiere schildert er in unmissverständlicher Klarheit. Die Täter hingegen, die als bewachende oder bedrohende Soldaten in Erscheinung treten, stellt er als gesichtslose, anonyme Rückenfiguren dar.
Über den Lübecker Bildhauer und Grafiker Walter Jahn ist nur wenig bekannt. Es finden sich vereinzelte Werke im öffentlichen Raum seiner Heimatstadt, etwa die am Burgtor angebrachte Gedenktafel für die Schlacht bei Lübeck, die Gedenktafel zum Besuch von Johann Sebastian Bach bei Dietrich Buxtehude in St. Marien und der als Sgraffito ausgeführte Werkzyklus „Opfer und Verfolgte“ auf dem Vorwerker Friedhof. Sie lassen eine Vorliebe des Künstlers für historische und zeitgeschichtliche Darstellungen erkennen und machen in der Vielfalt der verwendeten Materialien und Techniken sein handwerkliches Können und seine Experimentierfreude deutlich. Der Künstler Georg Weiland war von 1949 bis 1953 sein Schüler. Belegt ist zumindest eine Einzelausstellung Walter Jahns in Lübeck im Jahr 1950.