(* 1878 Klein-Grabow bei Schwerin, † 1970 München)
An der ehemaligen Stadtteilbibliothek Schlutup befand sich eine Bronzeplastik von Fritz Behn mit der Darstellung eines Rehs. Ähnlich wie seine Schreitende Antilope, die vor dem Burgtor aufgestellt ist, war auch das Reh in einer Situation höchster Spannung und Aufmerksamkeit wiedergegeben. Die Ohren aufgestellt, die Nase witternd erhoben, verharrte das grazile Tier, während die kraftvoll nach hinten gedrückten Hinterbeine und das angewinkelte Vorderbein bereits eine Fluchtbewegung andeuteten. Diese komplizierte, sorgsam ausbalancierte Haltung zeugte von der Meisterschaft, mit der Behn seine Plastiken durchkomponierte. Zugleich bewies auch dieses Werk, wie ausführlich sich der Bildhauer mit den Verhaltensweisen und Bewegungsabläufen der von ihm dargestellten Tiere vertraut gemacht hatte - seien es einheimische Tierarten, wie in diesem Fall, oder die exotische Fauna Afrikas.
Fritz Behn wurde im Jahr 1878 im mecklenburgischen Klein Grabow bei Krakow am See geboren und starb 1970 im Alter von 91 Jahren in München. Er war ein Enkel des ehemaligen Lübecker Bürgermeisters Heinrich Theodor Behn und verbrachte einen Teil seiner Jugend in dem nach der Familie benannten Haus in der Lübecker Königstraße, dem heutigen Museum Behnhaus Drägerhaus. Nach dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste München brach Behn im Winter 1907/08 erstmals zu einer Safari nach Afrika auf. Die Faszination für den Kontinent und seine Tierwelt blieb ein Leben lang ungebrochen und prägte sein weiteres künstlerisches Schaffen. Als Tierbildhauer erlangte er früh internationale Berühmtheit. Neben Künstler*innen wie August Gaul, Renée Sintenis oder Rembrandt Bugatti trug er zum Durchbruch der autonomen Tierplastik bei. Daneben schuf er zahlreiche Bildnisbüsten, Denkmäler, Brunnen sowie Grabmale. Nach dem Ersten Weltkrieg vertrat Behn antidemokratische und national-völkische Positionen. 1939 bis 1945 hatte er eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Wien inne. Er stand auf der „Gottbegnadetenliste“ der wichtigsten bildenden Künstler der NS-Zeit.[nbsp] Fritz Behn war eine schillernde Künstlerpersönlichkeit, die sich dem Bannkreis des Imperialismus ebenso wenig zu entziehen vermochte wie dem Faschismus. Die Kunst dieses Kolonialisten, Monarchisten und Republikgegners sieht sich Vorbehalten ausgesetzt, welche nicht zuletzt aus seinen Verstrickungen in den Nationalsozialismus resultieren. Der Ruf eines „Nazi-Bildhauers“ dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, warum ihn die Kunstgeschichte lange ignoriert hat. Erst in jüngster Zeit hat eine Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Werk eingesetzt.
Joachim Zeller, Kolonialisiertes Bestarium. Der Tierbildhauer Fritz Behn im „Märchenland Afrika“. In: K. Lee Chichester / Priska Gisler / Kunstmuseum Bern (Hg.): Koloniale Tiere. Tierbilder im Kontext des Kolonialismus. S. 69-90. Berlin 2024