Künstler:in
Ute Friederike Jürß
(* 1962 Wiesbaden, lebt und arbeitet in Lübeck)
Titel
Vor den Augen aller
Datierung
2013
Technik
Stoff, bedruckt
Beschreibung

Mit der Arbeit Vor den Augen aller hat die Künstlerin Ute Friederike Jürß ein ungewöhnliches Zeichen des Gedenkens gesetzt. Anstoß dazu gab der Beschluss der Lübecker Bürgerschaft, all denjenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus Lübeck von den Nationalsozialisten in Vernichtungslager deportiert wurden, ein Mahnmal zu schaffen.

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Drei Fahnen wehen luftig im Wind, denkwürdige Worte darauf lassen einen inne halten. Auf dem mittleren Banner verweilt standhaft der „PLATZ DER / DEPORTIERTEN / MENSCHEN[nbsp] / WÜRDE“. Das Banner trägt als Zeichen der Trauer den Trauerflor. Rechts und links davon stehen die letzten Worte von Menschen, die in Briefen und Tagebüchern ihrer Angst und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen. An ausgewählten Daten der Geschichte wechseln diese Aussagen, bringen Bewegung in die Installation. „… diese persönlichen Worte des Abschieds, der Verzweiflung aber auch der Zuversicht, schlagen eine Brücke vom Damals ins Heute, geben uns Anstoß, die Augen zu öffnen und wachsam zu sein, gegenüber Gleichmut, Intoleranz und Verantwortungslosigkeit. Das Bild der offiziellen Beflaggung als ein Symbol der Städtischen Gemeinschaft ehrt auch die Menschen, die einst von ihren Mitbürgern gewaltsam aus ihrer Mitte gerissen wurden. Es zollt ihnen einen späten Respekt und holt sie zumindest im Geiste zurück. Das Leben kann ihnen niemand zurückgeben, aber doch das Wort, das man ihnen damals durch Gewalt entzogen hatte; ein kleines leises Wort des stillen Mahnens und Erinnerns….“ (Zitat der Künstlerin).

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Termine der Wechsel der Fahnen:

27. Januar Befreiung KZ Auschwitz (1945)

26. Februar Deportationen nach Theresienstadt (1943)

2. April Deportationen nach Theresienstadt (1942)

2. Mai Kriegsende in Lübeck (1945)

16. Mai Deportationen von Sinti und Roma von Lübeck nach Auschwitz (1940)

16. Juli Deportationen nach Theresienstadt (1942)

16. September Deportationen von Patienten der Heilanstalt Strecknitz und der Vorwerker Heime (1940)

6. Dezember Deportationen jüdischer Lübecker nach Riga (1941)

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Informationen zu dem Geschwisterprojekt "Zwischen den Zeiten":

https://www.politische-bildung.sh/infothek.html

Biografie

Ute Friederike Jürß studierte von 1985 bis 1990 bei Daniel Spoerri an der Akademie der Bildenden Künste München. 1992/93 besaß sie Lehraufträge an der Hochschule für Gestaltung/Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe und erhielt 1994/95 für die Sparte Videokunst ein Stipendium an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Einem New York Stipendium der Hessischen Kulturstiftung von 1996 schloss sich ein dreijähriger Aufenthalt in New York an. Ein Stipendium der Abt-Straubinger Stiftung, Stuttgart, folgten 2009 sowie 2014 eine Förderung durch die Rudolf Augstein Stiftung, Hamburg. Ute Friederike Jürß bekam 1995 den Bremer Videokunstpreis und 1996 den Förderpreis der Elisabeth Kraft Stiftung, Stuttgart, verliehen. Mit ihren Arbeiten war sie auf diversen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland vertreten.

Stifter
Gemeinnützige Sparkassenstiftung zu Lübeck, Deutscher Verband Frau und Kultur e.V., Gruppe Lübeck, von Keller Stiftung sowie zahlreiche Lübecker Bürgerinnen und Bürger
Kategorie
Denkmal/Mahnmal
Standort
Am Bahnhof, Bahnhofsvorplatz
Eigentümer
Hansestadt Lübeck
Literatur
Jürgen-Wolfgang Goette, Vor den Augen aller - Abtransport in den sicheren Tod. Gedenkzeichen zur Deportation der Lübecker Jüdinnen und Juden nach Riga, in: Lübeckische Blätter, 3, 2014, S. 38f.