(* 1860 Ölper bei Braunschweig, † 1928 Berlin-Charlottenburg)
Die Brunnenskulptur Wasserschöpfendes Mädchen am Ende des Lindentunnels im Lübecker Schulgarten entstand zwischen 1910 und 1920 und kann aufgrund der Signatur „E. Müller“[nbsp] vermutlich dem in Berlin tätigen Bildhauer Ernst Müller-Braunschweig zugeschrieben werden. Der weibliche Mädchenakt besitzt eine außergewöhnliche Anmut. Mit einem Bein auf einem Sockel kniend, beugt sich die unbekannte Schöne von hinten über ein Wasserbecken, um mit einer Muschel in ihrer rechten Hand Wasser zu schöpfen. Durch Vandalismus verlor die Skulptur 1987 ihren Kopf, der im Stil seiner Zeit und unter Verwendung einer Fotografie erneuert wurde. Die feierliche Enthüllung der wiederhergestellten Skulptur verband man mit einem symbolischen Akt der Taufe auf den Namen „Dorothea“, der Schutzheiligen der Gärtner, unter dem sie seitdem im Volksmund bekannt ist.
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Der Lübecker Schulgarten wurde 1913 von dem Gartenarchitekten und Lübecker Stadtgärtner Harry Maasz (1880-1946) auf der Grundlage von Plänen seines Amtsvorgängers Erwin Barth als botanischer Lehrgarten an der Falkenwiese am Wakenitzufer angelegt. Nachdem der Garten während der beiden Weltkriege der hungernden Lübecker Bevölkerung als Gemüse- und Kartoffelacker gedient hatte, erfolgte im Jahr 1949 seine Wiedereröffnung. Die zu unterschiedlichen Themengärten gestaltete und mit Hecken und Laubengängen gegliederte Anlage beheimatet heute neben der Brunnenskulptur Wasserschöpfendes Mädchen von Ernst Müller-Braunschweig auch den Panther des Bildhauers Fritz Behn.
Auch wenn Ernst Müller-Braunschweig in einem zeitgenössischen Nachruf als „einer der besten und bekanntesten Bildhauer der Neuzeit“ gerühmt wird, weiß man wenig über sein Leben. 1860 wurde er in Ölper bei Braunschweig geboren. Nachdem ihn die Verschlechterung eines Gehörleidens zur Aufgabe seines eigentlichen Berufes als Kaufmann zwang, wandte er sich um 1890 autodidaktisch der bildenden Kunst zu. Bereits ab 1892 war er mit seinen Werken auf Ausstellungen vertreten. Müller-Braunschweig schuf zahlreiche Ehrenmale, Krieger- und Grabdenkmale sowie Porträtbüsten. Als eines seiner Hauptwerke galt der im Jahr 1898 begonnene und 1902 feierlich enthüllte Figurenschmuck der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Brücke in Braunschweig, vier in Kupfer getriebene allegorische Frauengestalten mit den Reichsinsignien sowie vier Löwen, die im Zweiten Weltkrieg entfernt wurden. Müller-Braunschweig betätigte sich nicht nur als Bildhauer, sondern auch als Maler, Grafiker und Illustrator von Jugendbüchern. 1928 starb er in Berlin-Charlottenburg an den Folgen einer Blinddarmoperation.
Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, Kat. Ausst., Berlin, Skulpturengalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz im Hamburger Bahnhof, 19. Mai - 29. Jul. 1990, 2 Bde., Berlin 1990.