(* 1954 Nürnberg, lebt und arbeitet in New York)
Nachdem sich Kiki Smith einst selbst als „Kiki Frankenstein“ charakterisierte, wandelte sie sich Anfang der 1990er Jahre zu „Kiki Wundersam“, die sich in ihren Arbeiten dem Schöpfungsmythos und einer märchenhaften Wunderwelt widmet. Die Natur wird dabei durch Tierfiguren, insbesondere Vögel, Schmetterlinge, Wölfe, Katzen und verschiedene Nagetiere, sowie durch Sterne, Mond und Eiskristalle repräsentiert. Die temporäre Installation Charm, die Kiki Smith im Jahr 2000 in Lübeck auf Initiative der Overbeck-Gesellschaft schuf, bestand aus 25 plastischen Figuren, die gleich einer Weihnachtsbeleuchtung an quergespannten Schnüren über der Pfaffenstraße schwebten. Dargestellt waren Eichhörnchen, Vögel, Katzen, Eulen und Fledermäuse, also Tiere, die insbesondere in der kalten Jahreszeit in der Nähe menschlicher Behausungen leben. Tagsüber nur als graue, leblose, an Gussformen erinnernde Plastiken sichtbar, erwachten die Figuren mit einsetzender Dunkelheit zum Leben: Die integrierten Leuchtmittel ließen sie in bunter Farbigkeit erstrahlen und die fein ausgearbeiteten Details von Gefieder und Fell sichtbar werden.
Die amerikanische Künstlerin Kiki (eigentlich Klara) Smith kam während einer mehrjährigen Europareise ihrer Eltern im deutschen Nürnberg zur Welt. 1955 ging die Familie zurück in die USA und bezog ein viktorianisches Herrenhaus in Orange County/New Jersey, wo Kiki Smith mit ihren beiden Schwestern in einem von Kunst geprägten Umfeld aufwuchs. Ihr Vater war der abstrakt arbeitende Bildhauer Tony Smith, der mit Künstlern wie Mark Rothko, Jackson Pollock und Barnett Newman befreundet war. Anfang der 1970er Jahre studierte Smith für kurze Zeit an der Kunstakademie in Hartfort/Connecticut. Ab 1976 lebte sie in New York City, wo sie sich dem Künstlerkollektiv Colab (Collaborative Projects) anschloss und 1980 an einer ersten Gruppenausstellung beteiligt war. Der morbide Charakter des elterlichen Herrenhauses und die katholische Erziehung, die ihre Kindheit und Jugend geprägt hatten, sorgten ebenso wie der Schock, den sie durch den Krebstod ihres Vaters 1983 erlitt, für die Ausrichtung ihrer künstlerischen Arbeiten in den 1980er Jahren: Der menschliche Körper, sein Leid und seine Verwundbarkeit, Folter und Tod waren die Themen, die sie in drastischen, das Publikum verstörenden Plastiken und Installationen verarbeitete. 1985 half sie mehrere Monate in der Notaufnahme eines Krankenhauses aus, um ihre Kenntnisse der menschlichen Anatomie zu vertiefen. Nach dem Aids-Tod einer ihrer Schwestern 1988 intensivierte Smith ihre Beschäftigung mit Vergänglichkeit und körperlicher Gewalt weiter und setzte sich dabei auch mit der Kunst des Mittelalters und christlichen Martyrien auseinander. Im Jahr 1992 jedoch schloss sie die Verarbeitung ihrer Traumata ab, es vollzog sich ein abrupter Wandel in ihrer Kunst: Die international bekannte Künstlerin feiert seither die Natur und die hellen, positiven Seiten von Spiritualität und christlichem Glauben in idyllisch-märchenhaften Plastiken, Installationen, aber auch druckgrafischen und textilen Arbeiten. Sowohl ihre frühen als auch ihre jüngeren Werke wurden bisher in unzähligen Ausstellungen präsentiert.