Künstler:in
Alfred Mahlau
(* 1894 Berlin, † 1967 Hamburg)
Titel
Totentanzfenster
Datierung
1956-57
Technik
Glasmalerei
Beschreibung

Der historische Totentanz-Fries des Lübecker Malers Bernt Notke gehört zu den bekanntesten Kunstwerken der Marienkirche, auch wenn das Original und eine spätere Kopie schon lange nicht mehr erhalten sind. Notke schuf das monumentale Werk angesichts der näher rückenden Pestepidemie im Jahr 1463. Als etwa 26 Meter langer und 2 Meter hoher Fries schmückte sein Totentanz fortan die Beichtkapelle oberhalb des Beichtgestühls. Mit zahlreichen nahezu lebensgroßen Figuren von Toten und Lebenden, die vor dem Lübecker Stadtpanorama einen makaberen Reigen tanzten, sollten die Gläubigen mit besonderer Eindrücklichkeit an ihre eigene Sterblichkeit erinnert werden. Die Detailliertheit und besondere künstlerische Qualität des Werkes sorgten für seine Bekanntheit. Im Jahr 1701 entschloss man sich, den auf Leinwand gemalten Fries aufgrund seines schlechten Erhaltungszustands durch eine Kopie zu ersetzen. Diese wurde 1942 beim Bombenangriff auf Lübeck zerstört, ist aber auf historischen Aufnahmen dokumentiert. Mehrere Glasfenster erinnern heute in der Marienkirche an den Totentanz von Notke und setzen das Themen in modernen Interpretationen um: Die beiden hohen Totentanzfenster von Alfred Mahlau in der Nordwand sowie darunterliegend das Tympanonfenster, das Markus Lüpertz 2002 für das Portal der Beichtkapelle gestaltete.

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Bereits 1952, zehn Jahre nach der Zerstörung des historischen Totentanzes, wurde Alfred Mahlau von der Kirchengemeinde St. Marien mit der Gestaltung zweier Totentanzfenster beauftragt. Nach mehreren Entwürfen wurden sie schließlich in den Jahren 1956 und 1957 von der Lübecker Glaserwerkstatt Berkentien ausgeführt. Mahlau griff für die beiden etwa zwölf Meter hohen Fenster auf das mittelalterliche Figurenrepertoire zurück, das Bernt Notke für seinen Fries erdacht hatte. Menschen verschiedener Standeszugehörigkeit sind vereint mit tanzenden, in Lumpen gehüllten Gerippen. Bedingt durch die hochrechteckige Form der Lanzettfenster entschied sich Mahlau für eine Ordnung, in der pro Fenster sieben Figurenebenen übereinandergesetzt sind, auf einer Ebene befinden sich immer drei Figuren.

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Angeführt wird sein Totentanz durch ein Flöte spielendes Skelett im Spitzbogen des linken Fensters, auf den Ebenen darunter sind in absteigender Standesfolge der Papst, Kaiser und Kaiserin, König, Bürgermeister, Kaufmann und Amtmann, Edelmann und Ritter zu sehen, die jeweils von einem oder zwei Toten bedrängt werden. Das rechte Fenster eröffnet oben mit einem sargtragenden Gerippe und zeigt dann Arzt, Wucherer, Mönch und Einsiedler, Bauer, Küster, Junggeselle und Jungfrau sowie zuunterst ein Kleinkind in einer Wiege, alle ebenfalls begleitet von Personifikationen des Todes. Das Kind erinnert an Darstellungen der Geburt Christi, es hält die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, über ihm steht in großen Buchstaben das Wort „Deo“ als Teil der Inschrift „Gloria in excelsis deo Amen“ („Ehre sei Gott in der Höhe Amen“), die sich über die unteren drei Felder zieht. Dieser motivische Abschluss gibt dem Totentanz von Alfred Mahlau ein hoffnungsvolles Ende, das die Überwindung des Todes und die Erlösung im Jenseits durch die Geburt Jesu Christi in Aussicht stellt.

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Die insgesamt vier Zwickel oben in den Spitzbögen der Fenster sind mit Darstellungen von Feuer, dem Sternenhimmel, einer Sonnenfinsternis und einem Regenbogen ausgefüllt. Die unterste Ebene beider Fenster zeigt das brennende Lübeck nach dem Bombenangriff an Palmsonntag 1942, womit Mahlau die todbringende Pestkatastrophe des 15. Jahrhunderts mit den Kriegsgräueln des 20. Jahrhunderts unmittelbar in Beziehung setzt.

Biografie

Alfred Mahlau wurde in Berlin geboren, die Familie siedelte jedoch 1906 nach Lübeck um. Für sein Studium an der Kunstschule kehrte er 1913 nach Berlin zurück. Seine Ausbildung dort wurde durch einen vierjährigen Einsatz im Ersten Weltkrieg unterbrochen. Nach seinem Examen als Zeichenlehrer ließ er sich 1919 wieder in Lübeck nieder, wo er fortan als freier Künstler lebte. Besonders erfolgreich war Mahlau mit seinen Arbeiten im Bereich der Gebrauchsgrafik. Als Werbegrafiker, Produkt- und Industriedesigner schuf er für die Stadt Lübeck und in der Region ansässige Unternehmen zeitlose Entwürfe und Firmensignets, die dank ihrer klaren, sachlichen Formensprache vielfach bis heute verwendet werden – etwa die des Marzipanherstellers J.G. Niederegger und der Schwartauer Marmeladenfabrik. Als freier Künstler schuf Mahlau romantisierte Landschaftsansichten und Stillleben. Sein Stil entsprach in der Zeit des Nationalsozialismus den propagierten Kunstidealen, weswegen Mahlau an die NS-konform umgestaltete Preußische Akademie der Künste in Berlin berufen und mit öffentlichen Aufträgen betraut wurde. Kurz vor Kriegsende wurde der Künstler im Volkssturm eingesetzt und geriet kurzzeitig in sowjetische Kriegsgefangenschaft. 1946 nahm er eine Dozentenstelle an der damaligen Hamburger Landeskunstschule an, wo er bis 1959 „Freie Grafik, Illustration und Entwurf“ unterrichtete, 1955 wurde er zum Professor berufen. Mit seinem pädagogischen Talent und einem pragmatischen und an Naturstudien orientierten Lehrstil war er für zahlreiche seiner Schüler ein prägendes Vorbild. Mahlau bereitete sie sowohl auf einen Berufsweg als Gebrauchsgrafiker als auch für eine freie Künstlerkarriere vor; zu seinen bekanntesten Schülern zählen Horst Janssen, Vicco von Bülow, Heino Jäger und Ekkehard Thieme. Nach schwerer Krankheit starb Alfred Mahlau 1967 in Hamburg.

Kategorie
Glasmalerei
Standort
Marienkirchhof, St. Marien, Totentanzkapelle
Literatur
Hartmut Freytag (Hrsg.), Der Totentanz in der Marienkirche in Lübeck und der Nikolaikirche in Reval (Tallinn), mit Beiträgen von Dorothy von Hülsen u.a., Köln/Weimar/Wien 1993.

Bilder