(* 1923 Neisse / Oberschlesien, † 2000 Wintzenbach / Elsass)
Die Gestaltung des Westfensters im Lübecker Dom gehörte zu den großen öffentlichen Aufträgen, mit denen Lothar Quinte seit Beginn der 1960er Jahre betraut wurde. Insgesamt schuf er im Laufe seiner Karriere rund 35 Glasfenster. 1962 war das Hamburger Architekturbüro Grundmann und Sandtmann mit der Neuerrichtung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Doms beauftragt worden. In Zusammenarbeit mit den Architekten plante Quinte sein dreiteiliges Werk, das aus einem 10 Meter hohen mittleren und zwei flankierenden, etwas niedrigeren Lanzettfenstern besteht. Ausgeführt wurde es von den Karlsruher Glastechnischen Werkstätten Ernst Scharf.
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Für Lothar Quinte kam nur eine rein abstrakte Gestaltung infrage. Sein künstlerisches Konzept zeigt ein dichtes Geflecht aus kleinteiligen, vielfarbigen Glaselementen, das sich durchgehend über die drei Fenster zieht. Der Mittelpunkt mit der höchsten Farbintensität liegt im Zentrum des mittleren Fensters und läuft zu den Rändern hin in eine zunehmende Helligkeit aus. Die meist rechteckigen Einzelelemente sind im Mittelfeld vorwiegend vertikal ausgerichtet, in den seitlichen Bereichen dagegen horizontal, wodurch der Effekt des Ausstrahlens betont wird. Es ergibt sich der Eindruck einer starken Energiequelle, die sich kraftvoll nach außen ausdehnt. Sie kann als schöpferische, göttliche Macht interpretiert werden, aber auch als ein sich im Raum ausbreitender Klang. Zugleich geht sie einen künstlerischen Dialog ein mit dem monumentalen, mittelalterlichen Triumphkreuz von Bernt Notke, das sich im Kirchenschiff befindet.
Lothar Quinte wuchs in Leipzig auf, wo er nach dem Abbruch seiner Schullaufbahn eine Lehre als Maler absolvierte. Ab 1941 war er als Fallschirmjäger im Kriegsdienst eingesetzt, kurzzeitig geriet er in englische Gefangenschaft. Nach seiner Freilassung ließ er sich in Baden-Württemberg nieder. Dort verdingte er sich als Puppenspieler und gründete eine kleine Schattenspiel-Theatergruppe. Von 1946 bis 1951 besuchte Quinte Kurse an der Kunstschule Kloster Bernstein u.a. bei HAP Grieshaber. Ab 1952 unterhielt er ein eigenes Atelier in Reutlingen, später dann in Pfullingen und in Karlsruhe. Künstlerisch orientierte er sich zunächst an den Malern des Informel, wie Hans Hartung und Wols, und arbeitete gestisch-ungegenständlich. 1953/54 wurde Quinte mit mehreren Kunstpreisen ausgezeichnet, u.a. dem Kunstpreis Junger Westen, was eine Reihe öffentlicher Aufträge für Wandbilder und Kirchenfenster zur Folge hatte. Auch dem Schattentheater blieb der Künstler treu und bestritt damit öffentliche Auftritte. 1959/60 wurde Quinte für eine einjährige Gastdozentur an die Werkkunstschule Krefeld berufen. Seine Malweise beruhigte sich zunehmend, er fand Anfang der 1960er Jahre zu einer konstruktiv-konkreten Ausdrucksweise mit feinen Farbabstufungen, die zu vibrieren scheinen. Seine Bekanntheit wuchs, größere öffentliche Aufträge waren u.a. das Westfenster für den Lübecker Dom und ein Wandbild für das Bonner Stadttheater. 1966 erwarb das New Yorker Museum of Modern Art eines seiner Bilder. 1969 ließ sich der Künstler im elsässischen Wintzenbach nieder, ab 1980 arbeitete er in den Wintermonaten regelmäßig im indischen Goa. 1984 drehte seine Tochter Mirjam einen Film über seine Kunst, 1994 porträtierte ein weiterer Film sein Lebenswerk. 1995 wurde er zum Professor h.c. ernannt und im folgenden Jahr mit dem Lovis-Corinth-Preis ausgezeichnet. Unzählige Einzelausstellungen begleiteten seine künstlerische Karriere. Lothar Quinte starb im Jahr 2000.